#6. Psychische Probleme

Shownotes

Hallo liebe Hörer,

hier ist Lars vom Legasthenie-Coaching-Podcast. In dieser Episode sprechen wir über psychische Probleme bei legasthenen Erwachsenen. Wir betrachten das Erwachsenenalter und wie die kindliche Entwicklung darauf Einfluss nimmt. Um Legasthenie zu bewältigen, müssen auch mögliche psychische Probleme angegangen werden.

Hauptthemen:

Ursachen psychischer Probleme:

Legasthenie verursacht nicht automatisch psychische Probleme. Häufig sind schwierige soziale Umfelder zu Hause oder in der Schule die Ursache. Individuelle Unterschiede:

Beispiele von Betroffenen, die dank stabiler Verhältnisse psychisch stabil bleiben. Bedeutung von Unterstützung und spezifischen Lerntherapien. Persönliche Erfahrungen:

Lars teilt seine eigene Geschichte und die Auswirkungen eines ungünstigen sozialen Umfelds. Entwicklung von Selbstwertproblemen und anderen psychischen Belastungen. Tipps zur Bewältigung:

Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie. Verschiedene Therapiemöglichkeiten und deren Nutzen. Wichtigkeit eines unterstützenden sozialen Umfelds. Bleibt dran und hört auch in die nächste Episode rein, in der wir das Thema "Legasthenie und Behinderung" besprechen. Bewertet unseren Podcast und schickt uns eure Fragen und Anmerkungen. Euer Lars.

Transkript anzeigen

**[0:02]**

Ich grüße euch, hier ist der Lars vom Legasthenie-Coaching Podcast. Wie in der letzten Folge schon angekündigt, werden wir heute über das Thema psychische Probleme bei legasthenen Erwachsenen sprechen. Es wird heute maßgeblich um das Erwachsenenalter gehen. Für alle Zuhörer ist es sicherlich auch interessant, wenn man das Erwachsenenalter im Hinblick auf die kindliche Entwicklung versteht. Um die Legasthenie zu bewältigen, muss man auch mögliche psychische Probleme angehen. Das habe ich euch schon in der letzten Episode berichtet.

**[0:55]**

Was können die Ursachen sein? Ich glaube nicht, dass automatisch die Legasthenie eine Ursache für psychische Probleme sein muss. Das zeigt mir auch die Praxis. Sicherlich ist die Mehrheit der Erwachsenen, die sich bei uns melden, nicht selten von psychischen Problemen betroffen. Das ist ungelogen der Fall. Aber wenn ich mir dann die Geschichten, die Biografien der Betroffenen genauer ansehe, dann wird deutlich, dass diese ein recht schwieriges soziales Umfeld zu Hause hatten oder große, schwierige soziale Probleme in der Schule, wo sie vielleicht gemobbt oder gehänselt wurden und andere schlechte Erfahrungen gesammelt haben. Und das spricht dann eher für diese als Ursache für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, die dann psychische Probleme begünstigen kann. Und darum ist mir häufig in der Fachwelt die Diskussion, dass man das alles im "Manuell 11" der psychischen Störungen klassifizieren muss, eher umstritten. Die Biografien der Betroffenen sind sehr verschieden.

**[2:18]**

Der eine wächst in einem sehr stabilen Elternhaus auf, bekommt eine gute Unterstützung und sozialen Rückhalt in der Familie und kann mit der Legasthenie recht gut umgehen, bekommt auch eine spezielle Lerntherapie von seinen Eltern und wird immer gut gefördert und unterstützt. Diese Beispiele gibt es auch, weshalb manche sehr psychisch stabil durchs Leben gehen, auch dann im Beruf trotz Schwierigkeiten. Sie melden sich auch immer wieder bei uns im Institut und wollen viel zielgerichteter mit dem Thema umgehen und die Schwierigkeiten noch besser kompensieren. Da stehen dann die seelischen Probleme, Ängste oder Versagensängste und Depressionen manchmal gar nicht im Mittelpunkt, weil sie einfach ihre Schwierigkeiten kompensieren wollen. Das ist natürlich für die Betroffenen weniger hinderlich, um die Schwierigkeiten auch im Erwachsenenalter anzugehen.

**[3:39]**

Welche Gruppe größer ist, das kann man nur mutmaßen. Möglicherweise ist die Gruppe der Betroffenen, die seelische Probleme durch ihre komplizierte Kindheit in der Schule oder im Elternhaus davongetragen haben, größer. Dazu gibt es aber kaum Studien, die das belegen. Das sollte noch genauer erforscht werden. Nach meinem Verständnis liegt das unbedingt in der ganzen familiären und sozialen Situation, wenn man sich die Betroffenen anschaut oder wenn ich meine eigene Geschichte betrachte. Ich habe eher keine Unterstützung erhalten oder psychischen Druck erlebt, weil man die Probleme nicht verstanden hat.

**[4:30]**

Daraus habe ich dann Probleme im Selbstwert entwickelt, später auch eine Suchterkrankung und natürlich immer wieder Phasen von Depressionen und Ängsten sowie Probleme mit meinem Selbstwert. Größere Schwierigkeiten hatte ich mit meiner eigenen Stresstoleranz und Bewältigung. Diese Probleme liegen oft in der Kindheit und in der Familie begründet. Aus der Psychotherapie-Forschung weiß man, dass viele psychische Erkrankungen zu einem recht hohen Maße in der Kindheit angelegt werden. Es mag andere Beeinträchtigungen und Behinderungen geben, die das anders gestalten, wo dann wirklich auch hochgradige psychische Probleme dazukommen. Aber ich glaube nicht, dass alle Betroffenen von einer seelischen Behinderung bedroht sind, auch im Kindesalter nicht. Nur wenn man die Probleme ignoriert und sie nicht angeht und das soziale Umfeld zu Hause ungünstig ist, tragen viele natürlich psychische Probleme davon. Das ist ungelogen nicht falsch. Aber man sollte da mehr differenzieren. Die einen haben seelische Probleme, die sich dann zu einer seelischen Behinderung entwickeln können.

**[6:00]**

Auf der anderen Seite gibt es wieder eine ganze Reihe von Betroffenen, die diese Probleme so nicht erlebt haben. Und darum sollte man diese nicht alle in den selben Topf werfen.

**[6:16]**

Das wäre für die ganze Diskussion dienlicher. Denn welcher psychisch gesunde Legastheniker will sich schon gerne in den Topf der psychisch Behinderten werfen lassen? Ich für meinen Teil sehe das Problem eher als Normvariante menschlicher Intelligenz. Es ist nur ein Teilbereich meiner Intelligenz, der Schwierigkeiten macht. Aber mir ist doch viel wichtiger, selbstbewusster und psychisch stabiler durchs Leben zu gehen. Und ich will doch die Schwierigkeiten bewältigen. Ich brauche dazu keinen Behindertenstatus. Da wäre ich doch bekloppt, wenn ich das wollte. Wer wird mir denn in der allgemeinen Arbeitswelt irgendwelche Benefits geben, sei es an Zeit oder Berücksichtigung? Auch wenn wir in der Gesellschaft das Thema Inklusion ansprechen, wird niemand Rücksicht nehmen. Wir müssen einfach unsere Schwierigkeiten so gut kompensieren, dass wir im beruflichen wie sozialen Alltag mit den Schwierigkeiten gut klarkommen und zielgerichtet und selbstwirksam durchs Leben gehen. Das muss das Ziel sein.

**[7:44]**

Dann gibt es natürlich auch Tipps, die ich euch geben kann. Später kommt noch ein Praxisbeispiel, das ich erlebt habe und das sehr ermutigend war.

**[7:58]**

Als Tipps zum besseren Verständnis für psychische Probleme ist natürlich jeder Betroffene gefordert, sich mit seiner eigenen Biografie auseinanderzusetzen. Wie verlief meine Kindheit? Wie gingen meine Eltern mit mir um? Wie ging die Familie mit meinen Schwierigkeiten um? Wurde ich so geliebt und angenommen, wie ich bin, trotz Schwierigkeiten? Oder wie lief die Schule? Habe ich da Unterstützung erfahren oder wurden die Probleme ignoriert, weil sie sich scheinbar auswachsen, wie es manche Pädagogen meinen, ab einem gewissen Alter? Was aber häufig nicht stimmt, denn die Legasthenie wächst sich nicht aus. Sie braucht kompetente Hilfe zur Bewältigung, sprich Lerntherapie, Coaching oder andere Bereiche sind gefordert. Ergotherapie bei Konzentrations- und Motorikproblemen oder bei anderen sprachlichen Defiziten, die manchmal bei der Legasthenie im Kindesalter auftreten, dann ist logopädische Behandlung oder andere psychologische Unterstützung angezeigt.

**[9:08]**

Man muss die ganze Entwicklungsgeschichte von der Kindheit oder von der Geburt an genauer verstehen. Dann kann man Rückschlüsse ziehen, was die Stressoren waren, die manchmal Ängste oder Probleme im Selbstwert begünstigt haben.

**[9:34]**

Durch Sozialtherapie, die wir bei uns auch anbieten, sollte man sich dann doch einen Psychotherapeuten, Verhaltenstherapeuten, Psychiater oder Neurologen suchen, der einem auf medizinischer und seelischer Ebene helfen kann.

**[9:57]**

Für mich als Christen war zusätzlich neben der ganzen psychologischen Betreuung auch die Seelsorge durch einen Pfarrer sehr hilfreich. Aber das muss jeder selber sehen, welche Hilfen er sucht. Ich kann jedenfalls davon abraten, dass man zu selbsternannten Gurus oder Heilpraktikern geht oder zu komischen esoterischen Coaches, die einem den Himmel auf Erden versprechen. Man muss dazu sagen, dass es ein größerer Schritt ist. Es wird viele Meilensteine geben müssen, um die Schwierigkeiten zu bewältigen. Das wird auch nicht von heute auf morgen gehen. Bei manchen dauert dieser Prozess vielleicht anderthalb Jahre, bei manchen zwei oder drei. Das ist verschieden.

**[10:51]**

Jeder, der euch schnelle Bewältigung verspricht, etwa dass ihr eure Lese-Rechtschreib-Schwäche im Binnen von wenigen Wochen bewältigen könnt, der erzählt Hokuspokus. Das sind eher Scharlatane, die euch erzählen wollen, dass ihr ohne eigenes Zutun und ohne Hilfe von außen die Schwierigkeiten bewältigen werdet. Natürlich ist es gut, wenn ihr all eure Potenziale erkennt und eure Begabungen nutzt. Aber ihr werdet nicht drumherum kommen, wenn ihr psychische Probleme habt, dass ihr auch diese Probleme bearbeiten müsst. Sonst werdet ihr langfristig nicht besonders nachhaltig mit den Schwierigkeiten umgehen. Aus der Psychologieforschung weiß man, dass das Gehirn Depressionen erlernen kann. Darum muss man Depressionen unbedingt angehen. Sonst wird es immer schwieriger, da herauszukommen. Man muss ehrlicherweise dazu sagen, dass es auch Erwachsene gibt, die langfristig einen Schwerbehindertenausweis benötigen, weil sie wirklich starke psychische Schädigungen davongetragen haben, die man kaum kompensieren kann.

**[12:28]**

Das muss man seriöserweise immer dazu sagen, dass es diese Fälle gibt. Aber das ist nicht die Mehrheit. Der große Teil kann sie eigentlich weitestgehend gut bewältigen, möglichst aus eigener Eigenverantwortung und Motivation. Denn unser Gemeinwesen wird uns dabei nicht helfen können, bei der Masse an Leuten, die es gibt.

**[12:56]**

Ich hatte auch immer gehofft, dass mir der Sozialstaat helfen würde. Aber das konnte er nicht in dem Umfang, wie es nötig gewesen wäre. Dann brauchte ich eben ein neues soziales Umfeld, das mich unterstützt hat. Das war maßgeblich für meine Bewältigung. Für mich als Christen war der christliche Glaube, also Jesus, ein wichtiger Anker, um die Schwierigkeiten zu bewältigen. Aber wie ich schon mehrfach gesagt habe, bin ich ein Freund der Wissenschaft und der Psychotherapie und der Lernpsych

ologie. Diese Aspekte gehören genauso dazu. Man muss das Thema umfassender sehen. Ganzheitlich klingt immer komisch, weil es eher von der Esoterik besetzt ist, umfassend finde ich viel besser.

**[14:04]**

Damit langfristig keine seelische Behinderung daraus wird, sollte man sich dem Thema auch noch in jungen Erwachsenenjahren widmen. Vor einigen Jahren hatte ich eine junge Erwachsene, die ein recht schwieriges Elternhaus hatte. Materiell war sie abgesichert und sozial stabil, das war nicht das Problem. Aber die Hintergründe der Eltern waren nicht ganz einfach. Auch wenn der Vater vielleicht einen guten Job im öffentlichen Dienst hatte und die Mutter einen einfachen Helferjob, gab es immer wieder Konflikte und Reibereien. Die Mutter hatte ähnliche Schwierigkeiten mit der Sprache und mit dem Lesen und Schreiben. Das wurde erst im Laufe der Biografiearbeit mit meiner Klientin offensichtlich.

**[15:08]**

Im Laufe der Zeit kam sie in ihrem neuen Job nicht zurecht. Sie hat über Umwege erst einmal Einzelhandelskauffrau im Einzelhandel gelernt, einige Jahre in diesem Bereich gearbeitet und darüber das Fachabitur nachgeholt. In dieser Zeit stellte man fest, dass sie eine Lese-Rechtschreib-Schwäche hatte.

**[15:39]**

Ich fand es sehr toll, dass man offen über psychische Probleme sprechen konnte. Sie ging die psychischen Probleme an und heute arbeitet sie in einem größeren IT-Unternehmen und ist recht stabil. Sie hat heute ein gutes soziales Umfeld, das sie unterstützt und sie so annimmt, wie sie ist. Ihr Arbeitgeber ist ein recht großer Konzern im deutschsprachigen Raum, der ihr viele Möglichkeiten bietet und diese Probleme berücksichtigt.

**[16:26]**

Ich könnte mehrfach über solche Geschichten sprechen, da ich in den letzten Jahren einige Erfahrungen gesammelt habe. Das Ziel muss doch sein, dass die Betroffenen ihre Schwierigkeiten kompensieren und bewältigen können. Heilen kann man sie sowieso nicht, man muss einfach offen darüber sprechen. Es ist eine Normvariante menschlicher Intelligenz, eine Schwäche, die sich kompensieren lässt. Darum ist mein Ansatz hier Verstehen, Erkennen und Bewältigen dieser Rechtschreibschwächen. Wenn man das Erwachsenenalter gut versteht, kann man auch gute Aussagen darüber treffen, wie sich die Kinder entwickeln.

**[17:17]**

Eltern sollten sich immer damit beschäftigen, wie die Erwachsenengeschichten aussehen können und was sie tun können, damit sich keine psychischen Probleme dazugesellen. Wir müssen die Erwachsenen und Eltern befähigen, unsere Erwachsenenbiografien als Warnschild wahrzunehmen. Die Fachwelt sollte sich viel umfassender mit dem Thema beschäftigen. Eine reine klinische Herangehensweise, die das Problem als psychische Störung und Erkrankung sieht, ist nicht für alle hilfreich. Es mag Leute geben, für die das gut und wichtig und richtig ist.

**[18:15]**

Sicherlich mag es Hindernisse geben, die man schwer aus dem Weg räumen kann, seien sie noch so traumatisch gewesen. Es gibt viele andere psychische Erkrankungen, die eine Rolle spielen und die man einfach nicht so bewältigen kann. Diese Betroffenen sollen natürlich ihren Behindertenstatus erhalten, das ist keine Frage. Aber bitte, liebe Fachleute und Kollegen, liebe Eltern und Mithörer, wir müssen das besser differenzieren und jedem die Möglichkeit geben, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln, angstfrei und mit weniger Stress durchs Leben zu gehen. Das muss das Ziel sein, dass jeder von uns seinen Platz in dieser Gesellschaft einnehmen kann.

**[19:13]**

In der nächsten Episode werde ich über das Thema Legasthenie und Behinderung sprechen. Ich wurde über viele Jahre unwissentlich als behindert eingestuft. Was das mit mir gemacht hat, obwohl ich nicht wusste, dass ich Legastheniker bin, könnt ihr euch sicherlich vorstellen. Ob Legasthenie eine Behinderung ist, sei dahingestellt. Wie ich schon angedeutet habe, können ungünstige Lebensbedingungen dazu führen, dass man eher zu einer Behinderung neigt, aber auch zu seelischer Gesundheit. Über diese Bereiche werde ich in der kommenden Episode sprechen. Ist Legasthenie eine Behinderung? Lasst euch überraschen, was ich euch als Experte dazu sage. Ich freue mich, wenn ihr weiterhört und diesen Podcast teilt. Hinterlasst gerne 5 Sterne und bewertet unseren Podcast. Oder wenn ihr Kritik oder Anmerkungen habt, könnt ihr euch gerne mitteilen. Ich freue mich über euch.

Euer Lars.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.